Alles neu macht der Januar

Das neue Jahr ist noch jung, doch schon baten mich die Herren von „Zwei auf Eins“ ins radioeins-Studio , um mit ihnen über die inflationäre Verwendung des Begriffes „neu“ im Marketing zu sprechen:

„Neu!“, „Neu!“, „Neu!“ – ob im Supermarkt, auf der Verpackung oder in der Werbung, ständig buhlt man mit vermeintlichen Neuheiten um unsere Aufmerksamkeit und um unser Geld.

Doch war das immer so? War „neu“ immer besser? Tatsächlich wurde der Mensch nicht als Konsument geboren. Es war zunächst notwendig, uns Menschen vom „Habenwollen“ zu überzeugen, denn wir mussten lernen, Interesse an Dingen zu zeigen, die wir nicht unbedingt zum Überleben brauchten. So ging dem „Habenwollen“ ein „Habenmüssen“ voraus (und das ist auch noch heute so), denn erst wenn unsere notwendigen Bedürfnisse befriedigt sind, gibt es Platz für die Erfüllung und Entwicklung von Wünschen.

Wesentlicher Bestandteil unserer Konsumgesellschaft ist es dabei, Wünsche zu befriedigen. Wünsche sind grundsätzlich vorhanden, können aber künstlich, durch Werbung beispielsweise, erzeugt werden. Dazu gehört immer auch die symbolische Erhöhung und Aufladung von Gegenständen über ihren reinen Gebrauchswert hinaus: sie müssen uns schmeicheln, unser Selbstbild betonen, uns vielleicht sogar bei einer unserer vielen Rollen, die wir tagtäglich einnehmen müssen, unterstützen.

Lange Zeit war das jedoch gar nicht möglich. Zum einen gab es kaum Vielfalt in den Angeboten, dann fehlten oftmals die ökonomischen Grundlagen, sprich Geld und Vermögen, und selbst, wenn man wohlhabend war, konnte man sich nicht alles kaufen, da es lange Zeit soziale Regeln gab, z.B. wem es nach gesellschaftlichem Status erlaubt war, bestimmte Stoffe wie Seide oder Perlen zu tragen. Manches war ausschließlich dem Adel oder dem Königshaus vorbehalten.

Zudem definierte sich der Wert eines Produktes fast immer über den Materialwert, aber auch über den Aufwand und die Professionalität der Materialbearbeitung, manchmal zudem über die Person des Herstellers oder Verkäufers. „Neu“ war da noch lange nicht entscheidend für den Erwerb, sondern eher Tradition und Wertigkeit.

Die Patina der gebrauchten Aktentasche.

Gerade die Tradition und die lange Haltbarkeit machten den Wert der Gegenstände aus: Vieles gehörte weniger dem Einzelnen als vielmehr der Familie und wurde von Generation zu Generation weitervererbt. Patina, die Spuren des Gebrauchs, galt als Statussymbol. Wer über nichts Ererbtes, nichts „Altes“ verfügte, war „neureich“ und somit fragwürdiger Herkunft. Neureiche verfügten über keinen weit zurückreichenden Familiestammbau, kannte nicht die erforderliche Etikette, um sich gesellschaftlich angemessen zu bewegen, und kannten unter Umständen auch nicht die gebotenen Manieren. Sie waren eher zweifelhafte Hasadeure.

Erst im 18. Jahrhundert wandelte sich dies langsam, bedingt durch die Industrialiserung und die einsetzende Massenproduktion: Statt dauerhaften Wohlstand zeigte man nun lieber Kaufkraft und persönlichen Geschmack, in dem man stets das Neueste kaufte. Es begann das Zeitalter der schnell wechselnden Moden und der Wegwerfgesellschaft.

Heute jedoch befinden wir uns wieder in Zeiten des Konsumwandels: Immer mehr Menschen propagieren den Verzicht, Vintage und Second Hand gewinnen wieder an Bedeutung. Vielleicht sind die Tage des „Neu!“ ja gezählt….?

Wer sich abschließend für das Coca-Cola-Debakel interessiert, der findet hier einen ausführlichen Beitrag zum Nachhören und -lesen:


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