Herz-Schmerz bei Tchibo

„Herz“ ist das Thema diesen Sonntag bei „2aufeins“ – und ich sprach mit den Herren über – Tchibo. Das erschliesst sich nicht unbedingt allen auf den ersten Blick, aber das Unternehmen wurde von Max Herz mitbegründet und die Familie Herz zählt mit geschätzten 11,5 Milliarden Euro Vermögen zu einer der reichsten Familien Deutschlands.

Das ganze radioeins-Interview könnt ihr hier nachhören:

1949 gründete Max Herz zusammen mit Carl Tchilling-Hiryan „Tchibo“. Der Name setzt sich aus „Tchilling“ und „Bohnen“ zusammen. Tchilling verliess jedoch kurze Zeit später das Unternehmen.

Im zerstörten Nachkriegsdeutschland gab es nach Jahren der Entbehrung und des Ersatzkaffees zwar eine grosse Sehnsucht nach echtem Bohnenkaffee, aber eben kaum unzerstörte Standorte (insbesondere nicht in Hamburg), um diesen zu verkaufen. Die Idee: Der Aufbau eines Kaffee-Versandhandels. Das damalige Luxusprodukt Kaffee wurde zudem mit kleinen Geschenken verschickt, eingewickelt in schmucke Geschirrtücher, verpackt in ansprechenden, wiederverwendbaren Dosen oder auch zusammen mit einem kleinen Kochbuch.

Doch Herz kam noch auf eine weitere gute Marketing-Idee: 1952 erschien erstmalig das Tchibo Magazin (TCM). Das monatlich erscheinende Magazin war jedoch nicht ein Verkaufsflyer, sondern bot den Leser:innen unterhaltsame Geschichten, leckere Rezepte, Modetipps und Schnittmuster für Bekleidung und: Horoskope. Ein weiteres Stück Aufbruch aus der Nachkriegszeit in das Wirtschaftswunder.

1955, mitten im Wiederaufbau, eröffnete Herz in Hamburg die erste Tchibo-Filiale. Nun konnte man den „Gold-Mocca“, Deutschlands meist getrunkenen Kaffee, nicht nur frisch abgepackt kaufen, sondern auch vor dem Kauf probieren und trinken. Das Konzept kam bestens an und so fuhr Herz gemeinsam mit seiner Frau Ingeburg quer durch Deutschland und suchte neue Standorte. Schon zehn Jahre später gab es in Deutschland 400 Tchibo-Filialen.

Doch auch das war Max Herz noch nicht genug: Er gewann Bäckereien und Konditoreien als Verkaufsstellen, die den Tchibo-Kaffee als sogenannte Frische -Depots ab 1963 ebenfalls verkauften. Heute gibt es mehr als 24. 000 Depots in Bäckereien und Supermärkten sowie 900 Läden in acht Ländern.

1965 stirbt Max Herbst überraschend. Zurück bleiben Frau Ingeburg und die 5 Kinder Günther, Joachim, Michael, Wolfgang und Daniela. Die Kinder wurden streng erzogen, nicht verwöhnt und schon früh wird eine (un)gesunde Rivalität zwischen den Kindern zur gelebten Realität. Das sollte nun zum Problem werden, zumal Max Herz ein ungenau formuliertes Testament hinterliess: : Seine zwei „befähigsten Jungen“ sollten das Familienunternehmen Tchibo übernehmen. Doch wer ist damit gemeint? Keiner der Söhne wurde namentlich benannt.

Günter, damals 25, und der drittälteste Bruder Michael, 22, übernahmen das Ruder, zunächst mit grossem Erfolg:

Als Tchibo ab 1973 aus rechtlichen Gründen seine kleinen Zugaben nicht mehr zum Kaffee verschenken durfte, wurden die noch vorrätigen Artikel in den Filialen verkauft – so erfolgreich, dass Günter dauerhaft Gebrauchsartikel in das Tchibo-Sortiment aufnahm und „Jede Woche eine neue Welt“ schaffte.

Die Kundschaft drückte sich die Nasen an den Schaufenstern platt und rannte jede Woche in die Filialen, um die neuen Angebote zu kaufen: Frühstücksbrettchen, Kindermode, Skiunterwäsche, Radios, Modeschmuck… der Kaffee war dann fast nur noch Nebensache.

Doch Günter Herz dachte – wie sein Vater – grösser: Er schluckte den ärgsten Konkurrenten, Eduscho, stieg mit einer Minderheitsbeteiligung beim Tabakriesen Reemtsma ein und gewann in einem spektakulärem Bieterkampf um Beiersdorf gegen Procter & Gamble. Bis heute kontrolliert die Maxingvest (Max & Ingeburg, die Namen der Eltern), Nachfolger der Tchibo AG, mittel- und unmittelbar über 50 Prozent der Stimmrechte an der Beiersdorf AG mit Marken wie Nivea, Tesa und Hansaplast.

Günter Herz ist ein autoritärer Mann, laut und bestimmend, gefürchtet und respektiert. Doch in der Familie war nicht jeder mit seinem Führungsstil zufrieden. Vor allem Michael blockierte den Älteren immer wieder bei seinen Entscheidungen.

1989 verlässt Michael Herz die Geschäftsführung, blieb aber wie alle fünf Geschwister Gesellschafter. Gemeinsam mit seinem Bruder Wolfgang kaufte er den Hamburger Blumenhändler Blume 2000 sowie den Buchgroßhändler Libri.

Doch 2001 eskalierte der lang schwelende Konflikt: Michael hatte seine Mutter und auch die anderen „Jungs“ überzeugt, Günter zu entmachten und ihn zu feuern. Die Geschwister verweigerten daraufhin Günter Herz die Wiederwahl zum Vorstandschef. Er trat zurück. Michael und Wolfgang übernahmen die Geschäfte.

Günter will daraufhin zusammen mit seiner Schwester Daniela ausgezahlt werden und das Familienunternehmen verlassen. Dazu wurden die Reemtsma-Anteile von der Familie zu einem Rekorderlös verkauft. Daniela und Günter gründeten damit die Investmentgesellschaft Mayfair, die. sich u.a. an Puma und Vapiano beteiligte. Zwischenzeitlich ist Daniela Herz auch hier ausgeschieden.

Doch die Familie Herz kam nicht zur Ruhe: Auch der Bruder Joachim fühlte sich von seinen Brüdern Michael und Wolfgang bei der Kontrolle des Konzerns zunehmend an den Rand gedrängt und verkaufte in der Folge Teile seiner Aktien an jemanden ausserhalb der Familie. 2008 verstarb er bei einem tragischen Unglück, heute verwaltet die Joachim Herz-Stiftung seine Anteile.

Zum Abschluss sei jedoch auch noch daran erinnert, dass uns Tchibo eine legendäre Werbefigur (zumindest meiner Kindheit) schenkte: Mr. Pithey, den Kaffee-Experten, der stets mit Bowler und schwarzen Anzug an die heißesten Orte der Welt reiste (Ostafrika, Kolumbien usw.), um – ohne auch nur einen einzigen Schweißtropfen zu zeigen – die besten Kaffeebohnen für Tchibo einzukaufen.

2 Antworten zu „Herz-Schmerz bei Tchibo”.

  1. Das italienische Word cibo wird ähnlich ausgesprochen wie Tchibo und bedeutet Essen, Nahrung, Futter, usw. Ob die Gründer das wussten?
    https://de.pons.com/%C3%BCbersetzung/italienisch-deutsch/cibo

    1. Ob ihnen das bekannt war, weiß ich nicht. Vor einigen Jahren hat aber Tchibo hier in Berlin ein Restaurant mit „cibo“ im Namen zur Namensänderung gezwungen – wegen phonetischer Verwechslungsgefahr: https://www.morgenpost.de/printarchiv/berlin/article103713638/Tchibo-oder-Cibo-Kaffeeroester-verklagt-Berliner-Szenerestaurant.html

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