Klebst du schon oder sammelst du noch?

„Kleben“ lautet das Thema der heutigen „radioeins„-Sendung. Und die beiden Herren von „2aufeins“ reisen wieder einmal tief in ihre eigene Kindheit zurück – und ich reise mit, denn wir wir sprechen über Panini-Sammelsticker:

Schon ich habe als Kind eifrig Panini-Sticker gesammelt, geklebt – und vor allen Dingen getauscht, denn der Stapel der doppelten Bilder wuchs proportional zu dem investierten Taschengeld. Die leeren Alben und das erste Tütchen Klebebilder wurden häufig verschenkt und so hat man als eingefleischter Fußball-Fan – oder wie ich aus Langeweile – angefangen, die ersten Bilder einzukleben. Aber was will man mit einem Album, wo nur vier Bilder drin sind?

Einmal angefixt wurde nun das gesamte Taschengeld zum Zeitungshändler getragen, um noch mehr Tütchen zu kaufen. Ziel war das lückenlos gefüllte Album. Doch neben dem Kauf gab es auch noch den Tausch: „Gibst du mir einen Rummenigge, dann kriegst du Magath, Dietz und fünf Förster zum Weitertauschen.“

Als allerletzte Notlösung gab es immer noch das Nachbestellen von Bildern direkt beim Verlag, was allerdings ziemlich teuer (Preis pro Bild meist 10 Pfennig, plus Versandkosten von 1,50 DM) war. Nur selten bekam man alle Bilder für sein Album zusammen und so landete das halbvolle Album nach einiger Zeit auf dem Müll.

Es gibt übrigens eine mathematische Formel, die ich natürlich nicht verstehe, aber mit der man ausrechnen kann, wie viele Bilder erworben werden müssen, um ein Album voll zu bekommen. So werden beispielsweise durchschnittlich 4.828 Sammelbilder benötigt, um das Panini-Fußball-Sammelalbum zur Euro 2016 mit 680 Bildern zu füllen. Dies entspricht Kosten von etwa 678 Euro. Ein nicht ganz günstiges Vergnügen….

Panini steht mittlerweile als Synonym für Sticker, also selbstklebende Sammelbilder. Das Sammelbild als Marketing-Tool ist jedoch deutlich älter und geht zurück auf einen Schokoladen-Hersteller: Franz Stollwerck (1815–1876) produzierte bereits ab 1840 „Bilder-Chocolade“ oder „Photographie-Chocolade“ . Es wird gemutmaßt, dass Stollwerck während seiner Gesellenzeit in Paris vom Kaufhaus „Au bon marché“ inspiriert wurde, das den Kunden nach dem Einkauf Bildpräsente übergab, die auf der Rückseite einen Kalender und Firmenwerbung trugen und sie zum Wiederkauf motivieren sollten. Die Kundschaft war von dieser Idee derart begeistert, dass Aristide Boucicaut, der Inhaber des Kaufhauses, die Herausgabe von Bilderserien veranlasste. Die Stollwerck-Bilder sind seit ihrer Entstehung um 1840 bis heute begehrte Sammelobjekte.

Zunächst wurde jedoch nur das Einwickelpapier bedruckt. Sohn Ludwig Stollwerck (1857–1922) entwickelte die Idee dann zu Sammelbildern weiter, als er bei seinem Eintritt in das väterliche Unternehmen 1873 erkannte, dass durch den Sammelreiz der Kaufanreiz verstärkt werden konnte. Fortan wurden die Bilderkärtchen zu Gruppen von sechs Bildern produziert und die rückseitige Werbung wurde durch Bilderläuterungen in Reimform ersetzt.

1898 erschien dann auch das erste Sammelbilder-Album für die Stollwerck-Bilder – zum Einstecken. Thematisch wurden die Kartenwelten kontinuierlich erweitert: Es erschienen zahlreiche Serien mit Darstellungen zu Märchen und Sagen, fernen Ländern, Landschaften, Pflanzen und Tieren, historischen Themen sowie zu Sport, Spiel und Zirkus.

Als zweiten „Pionier der Sammelbild-Kultur“ kann man Justus Liebig und seinen „Liebig Fleischextrakt“ nennen, denn hier erschienen ab 1875 sehr beliebte Sammelbilder – zunächst in Paris, wo Liebig Extract ein eigenes Werbebüro unterhielt. Als Inspiration werden hier oft die sogenannten Stuhlbilder (ab 1874) erwähnt: kleine, bunt bedruckte Kärtchen mit dezentem Werbeaufdruck, die in den Pariser Parks die Nutzung eines gepachteten Stuhles oder einer Bank quittierten.

Schnell gab es bald eigens angebotene Sammelalben, die um die Jahrhundertwende zu einem wahren Sammelfieber führte. Es gab erste Kataloge, spezielle Zeitschriften und Händler. Seltene Serien wurden mit bis zu 300 Goldmark bezahlt und natürlich kamen zudem zahlreiche Fälschungen auf den Markt. Weil Fleischextrakt relativ teuer war, wurden die Liebig-Bilder vor allen Dingen vom städtischen Bürgertum gesammelt, seltener von Arbeitern oder der Landbevölkerung. Im Zeitraum von etwa 100 Jahren hat Liebig 1.870 Serien mit etwa 11.500 Bildern in 12 Sprachen herausgegeben.

Die Werbung mit den Bildern funktionierte hervorragend und immer mehr Anbieter fügten ihren Produkten Sammelbilder bei, z. B. bei Schokolade, Margarine, Schuhcreme, Kaffee, Zigaretten und Zigarren. Die Auflagen erreichten teilweise Milliardenhöhe, auch kamen immer mehr illustrierte Alben zum Einkleben der Bilder heraus. Teilweise war das Werbemittel „Sammelkarte“ beliebter als das Produkt selbst.

Im Laufe des Zweiten Weltkriegs brach die Sammelbild-Produktion aufgrund von Papiermangel weitgehend ein.

Bald nach dem Ende des Krieges wurde jedoch die erfolgreiche Werbemasche wieder aufgenommen: Ob Sanella, Kölln-Haferflocken oder Birkel-Nudel – sie alle nutzen die Sammelleidenschaft der KundInnen zur Bindung an ihr Produkt. Erst 1954 endete die Ära der „Margarine-Bilder“, ein Jahr später wurde die Zugabe von Bildern bei Tabakprodukten gesetzlich verboten. Ich kann mich aber noch gut an die Fußball-Bilder der Sprengel-Schokolade in den siebziger Jahren erinnern und auch beim Tanken gab es damals oft Sammelbilder als kostenlose Beigabe. Und bis heute verführen noch die Klebebilder von „Hanuta“ und „Duplo“ zum Sammeln.

Sammelbilder, auch in Tüten, haben also eine lange Tradition – aber noch mussten sie mit UHU-verschmierten Fingern von uns selbst ins Album eingeklebt werden. Panini nun brachte die ersten selbstklebenden Sticker auf den Markt.

Die acht Panini-Kinder – vier Mädchen, vier Jungen – verloren 1941 ihren Vater. Die Mutter arbeitete als Schneiderin, die Familie war zu dieser Zeit bitterarm und lebte im italienischen Modena. Um das Familieneinkommen aufzubessern, erwarb Veronica, eine der Töchter, noch während des Krieges 1945 einen eigentlich geschlossenen, fast leeren Zeitungskiosk in der Stadtmitte Modenas – direkt neben dem Dom. Dort arbeiteten nach Ende des Zweiten Weltkrieges sowohl die Mutter, als auch ihre Kinder – vor allem Benito, Umberto und Franco Cosimo. 1955 wurde aus dem reinen Zeitungskiosk der Zeitungsvertrieb „Agenzia Distribuzione Giornali Fratelli Panini“. Die Familie – in dieser Zeit vor allem die Mutter und die Söhne Benito und Giuseppe – brachte unverkaufte Restbestände anderer Verlage unter die Leute. Sie erfand dabei das Prinzip der Wundertüte und füllte diese mit Fotoromanen, Zeitschriften, Krimis – und manchmal auch Sammelbildchen.

Bei einer Reise nach Mailand 1960 fanden die Brüder eine Charge unverkaufter Fußball-Sammelbilder. Zurück in Modena verpackten sie jeweils zwei Karten in ein Tütchen und verkauften dieses zu 10 Lire (ungefähr 0,005 Euro Cents). Der Erfolg war sofort riesig und binnen kürzester Zeit hatten sie drei Millionen Bilder verkauft. Giuseppe nahm dies zum Anlass, selbst Herausgeber von Stickern zu werden. Giuseppe Panini hat das Unternehmen dann 1961 gegründet und auch die Panini-Sticker erfunden.

1961 erschien so das erste von Panini  herausgegebene Sammelalbum nebst Klebebildchen: „Grande Raccolta Figurine Calciatori“, ein Fußballsammelalbum mit Spielern der italienischen Serie A, darunter auch Giovanni Trapattoni.

Die Paninis waren die ersten, die konsequent auf die Produktformel „Bildchen in Tüten“ plus  Album setzten – zuvor waren Sammelbildchen immer eine werbliche Produktdreingabe. Die Brüder waren davon überzeugt, dass sie Kunden nur gewinnen konnten, wenn sie eine komplette und homogen gestaltete Sammlung anbieten würden. Unabdingbar war es für sie auch, für die Bildchen eigene Tütchen zu produzieren. Blieb noch eine Herausforderung: Wie ließ es sich verhindern, dass niemals ein Bildchen doppelt in einer Tüte sein würde? Um letzteres zu schaffen, nahmen sie ein Butterfass und ein Rad, das der Lottozahlen-Mischmaschine ähnelt. Dieses Rad war mittels eines Fahrradrahmens mit dem Fass verbunden und wurde anfangs durch einen Studenten angetrieben: 15 Umdrehungen vorwärts, 15 rückwärts. Überliefert ist auch eine weitere Geschichte zum Mischverfahren, das wenig später angewendet wurde: Die Paninis warfen die Bilder in die Luft und mischten sie anschließend mit einer herkömmlichen Schaufel durch.

Auf Dauer musste für die Massenproduktion eine professionelle Lösung her. Giuseppe bat 1963 seinen Bruder Umberto, der damals in Venezuela arbeitete, nach Italien zurückzukommen. Gesagt, getan. So entwickelte der Techniker Umberto Panini (er starb 2013 als letztes der Panini-Geschwister) 1964 im Auftrag seiner Brüder das spätere Herz der Firma: die Fifimatic. Es handelt sich um eine Misch-und Eintütmaschine, die dafür sorgt, dass niemals zwei gleiche Bilder in einer Tüte landen. Noch heute stehen 25 dieser Maschinen in der Produktionshalle von Panini in Modena.

Die Panini-Brüder Giuseppe, Umberto, Franco Cosimo und Benito (v.l.,1966) vor einer Fifimatic. Quelle: Panini

Heute ist Panini-Gruppe, die immer noch in Modena sitzt, der weltweit größte Verlag von Sammelprodukten. Das Unternehmen beschäftigt mehr als 1.200 Mitarbeiter in zwölf Tochtergesellschaften und hat Vertriebskanäle in mehr als 150 Ländern. Insgesamt bringt Panini weltweit jährlich zirka 400 Sammelkollektionen auf den Markt, in Deutschland sind es pro Jahr 50 verschiedene Kollektionen in den Bereichen Sport und Entertainment. Neben den Alben zu Welt- und Europameisterschaften veröffentlicht Panini als Lizenzpartner von Disney Kollektionen zu „Die Eiskönigin“, „Avengers“ oder „Spider-Man“.

Aktuell besonders gefragte Lizenzmarken sind : „Paw Patrol“ (SRTL), „Peppa Pig“ (SRTL), „Miraculous“ (CPLG), „LOL Surprise!“ (MGA), „Fortnite“ (EPIC), „Minecraft“ (Mojang) „Super Mario” (Nintendo), „Jurassic World” (Universal), „Dragon Ball“ (Toei) und „Harry Potter“ (Warner Brothers).

Und so ist der Sammelspaß auch für nachfolgende Generationen garantiert. Verlor ich dann irgendwann das Interesse an den Klebebildchen, hat mich die Vergangenheit spätestens bei meiner eigenen Tochter wieder eingeholt, die natürlich an keinem leeren Sammelalbum mit dem ersten geschenkten Tütchen vorbeigehen konnte….

Zum Abschluss noch ein kleines Video über einen mehr als leidenschaftlichen Sammler:



Erstellt unter Verwendung von Teilen des Textes der offiziellen Panini-Seite.

Eine Antwort zu „Klebst du schon oder sammelst du noch?”.

  1. „Zurück in Modena verpackten sie jeweils zwei Karten in ein Tütchen und verkauften dieses zu 10 Lire (ungefähr 0,005 Euro Cents).“
    1960 hatten 10 Lire immerhin einen Gegenwert von 0,0169 Eurocent.
    (Quelle: https://fxtop.com/de/historische-wechselkurse.php?C1=EUR&C2=ITL&A=10&DD1=02&MM1=01&YYYY1=1960&DD2=30&MM2=12&YYYY2=1960&MA=0&YA=0&LANG=de&CJ=0&TR=ON).

    Möglicherweise bekam man damals für das gleiche Geld auch ein richtiges Panino (Brötchen).

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