…ein Hut, ein Stock, ein Regenschirm…

…und vorwärts, rückwärts, seitwärts, stehen! Nein, weder Hut noch Stock sind diesmal das Thema bei „2aufeins„, wir sprechen über den Regenschirm. Und wie immer kann man das radioeins-Interview hier nachhören:

Den Schirm als Regenschutz setzte sich in Europa erst seit dem 18. Jahrhundert durch, doch als Sonnenschutz wurde Schirme in Asien schon vor 4.000 Jahren benutzt und erwähnt. Sie waren Jahrtausende lang Herrschaftssymbol von Kaisern, Königen und Pharaonen und wurden aus Bambus und Ölpapier gefertigt, verfügten über einen einfachen Faltmechanismus und wurden in der Regel von mehreren Dienern getragen. Über Persien kam der Schirm nach Europa, zunächst nach Griechenland. Die Geschichtsschreiber der Römer berichten erstmals von den verwendeten Materialien: Bambusstäbe mit Leder oder Seide. Im Laufe der Jahrhunderte wurde der Schirm dann auch in Europa zum Zeichen der Würde. Kaiser und Päpste liessen sich damit bedecken, ohne sich darum zu scheren, ob das Wetter das erforderte.

Bevor sich also Menschen in England und den übrigen Kontinenten mit einem Schirm vor Regen schützten, galt das mobile Dach als Schattenspender, insbesondere für die höfischen Damen, um ihre vornehme Blässe zu wahren. Lateinisch “umbra” ist der Schatten und “umbrella” ist die Verkleinerungsform, also: der kleine Schatten.

Anfang des 18. Jahrhunderts wurde der Schirm in Frankreich dann auch als Regenschutz entdeckt: Der Pariser Kaufmann Jean Marius erfand eine leichtere und zusammenklappbare Version, die er mit wasserabweisendem Material ausstattete. Ein „parapluie“, ein Schutz „gegen den Regen“. Als die französische Prinzessin Palatine im Jahr 1712 einen dieser Regenschirme erwarb, wurde er schnell zum modisch notwendigen Accessoire für Frauen im ganzen Land.

Auftritt Jonas Hanway: Als der Engländer in den frühen 1750ern von einer Frankreichreise zurückkehrte und im verregneten London mit seinem Regenschirm spazieren ging, waren die Londoner schockiert und fassungslos, denn Schirme galten als „weibisch“ und standen speziell bei Männern für Schwäche und Verweiblichung. Und – schlimmer noch – der Schirm galt als eine Erfindung des Erzfeindes Frankreich.

Doch Hanway sah sich nicht nur dem Spott seiner Mitmenschen ausgesetzt, sondern musste sich auch gegen die Angriffe von Pferdekutschern wehren. Diese hatten nämlich Angst vor Umsatzverlusten, waren doch die überdachten Pferdekutschen gerade an Regentagen in London sehr gefragt. Sie bewarfen Hanway mit Müll und es gab wohl sogar einen Versuch ihn zu überfahren. Doch, auch Dank der modebewußten Dandys, wurde der Regenschirm schnell zum unentbehrlichen Begleiter des britischen Gentleman.

Allerdings wog um 1800 ein Regenschirm gut 5 Kilogramm, denn sein Gestell bestand aus Holzstäben und Fischbein. Der Engländer Samuel Fox aus Sheffield entwickelte den Schirm weiter und verpasste ihm 1852 ein Stahlgestell, das ihn wesentlich leichter machte. Gleichzeitig setzte die Massenproduktion ein, der Schirm wurde deutlich billiger. Schwarz, schlank und exakt gerollt beschützt er den Gentleman nun überall auf der Welt.

Doch vielen war der Regenschirm in seiner Länge noch zu sperrig, so auch dem deutschen Bergassessor Hans Haupt. Aufgrund einer alten Beinverletzung aus dem Ersten Weltkrieg störte es ihn beträchtlich, neben dem Gehstock auch noch zusätzlich einen langen starren Regenschirm mit sich tragen zu müssen. Er konstruierte daher den ersten teleskopierbaren Taschenschirm (bis dahin wurden alle kleinen Schirme geklappt), meldete ihn 1928 als Patent an und gründete in Berlin die Knirps GmbH. Der “Knirps” begann die Welt der Regenschirme zu revolutionieren. Seine Zweckmäßigkeit und Größe entsprach den Wünschen einer reisenden, zunehmend automobilen Gesellschaft.

Mit dem Beginn der 50er Jahre begann dann der rasante Aufstieg des Taschenschirms als modisches Accessoire. Der kleine Wunderschirm “Knirps” erlebte einen wahrhaftigen Boom. Durch die Einführung von Nyltest-Stoffen in den 60er Jahren wurde der Regenschirm bunter, schlanker, leichter, flacher und viel haltbarer. Neben Armbanduhr und Schmuck galt der Knirps als das Standardgeschenk zu allen Anlässen wie Erstkommunion, Konfirmation, Geburtstag, Muttertag, Weihnachten, Ostern und so weiter….

.Alle Welt wollte einen „Knirps“, sogar John F. Kennedy soll ihn für seine Bodyguards bestellt haben. Als die niederländische Kronprinzessin Beatrix Mitte der Sechziger heiratet, liegt ein Knirps mit Krokodillederetui im Handschuhfach des Hochzeitsautos. Und auch im Duden wird er erwähnt: „Knirps, der; -es, -e (kleiner Junge od. Mann; ein zusammenschiebbarer Regenschirm)“. Bis heute sollen 200 Millionen Stück verkauft worden sein.

Doch der Druck durch Billigimporte aus Asien und auch eine Wertewandeln bei der Jugend stoppt die Erfolgsgeschichte des Knirps. 1982 ist der Schirmbauer bankrott und auch die neuen Besitzer, die die Marke übernahmen, gingen 1999 in den Konkurs. 2005 scheitert dann der nächste Eigentümer, aber die Marke ist nicht tot zu kriegen. Heute wird sie in Österreich produziert – mit Erfolg!

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