Der nachhaltige Schaumschläger

In der heutigen Sendung geht es bei den Jungs von „Zwei auf eins“ um das Thema „Schaum“. Ich bin eingeladen, um über einen großen „Schaumschläger“ zu sprechen, der ein gutes Beispiel für nachhaltige Produkte und die Stärke von Familienunternehmen ist: Emanuel Bronner. Nachzuhören ist das radioeins-Interview hier:

Die Herren waren sehr auf die Schaumparties fixiert (alte weiße Männer… ) so dass wir gar nicht dazu gekommen sind, über das spannende Leben des Emanuel Bronner zu sprechen: Geboren wurde er 1909 als Emanuel Heilbronner in Laupheim, Oberschwaben, gut zwanzig Kilometer von Ulm entfernt. Er wuchs in eine Familie von Seifenmachern hinein, denn schon seine Großeltern stellten seit 1858 erfolgreich Seife unter dem Markennamen „Madaform“ her.


Heilbronner blieb seinen Wurzel treu, legte seinen Meister als Seifenmacher ab und studierte Chemie. Er entwickelte viele Ideen und wollte die Produktion modernisieren, doch sein Vater und sein Onkel zogen nicht mit. Sie verstritten sich, es kam zum Bruch und so wanderte Emanuel 1929 in die USA zu einem Cousin aus.

Dort beriet er zunächst US-amerikanische Hersteller von Seifen und Spezialchemikalien. Mit Sorge sah Heilbronner das Erstarken der Nazis in seiner Heimat. Aus einer jüdischen Familie stammend erkannte er die Bedrohung und warnte seine Familie in Deutschland.

Nach der Machtübernahme der Nazis strich Bronner, mittlerweile US-Bürger, wütend das „Heil-“ aus seinem Nachnamen und wurde zum Friedensaktivisten, hielt Vorträge und Reden und warnte vor Faschismus und Kommunismus gleichermaßen.
Als die Nazis die Fabrik der Familie in Laupheim beschlagnahmten, konnten viele Familienmitglieder noch rechtzeitig fliehen, doch die Eltern und eine Tante blieben zurück. Sie wurden in Auschwitz und Theresienstadt ermordet. Bronner erreichte ein letzter Brief des Vaters aus dem Konzentrationslager. Bis auf drei Worte war alles geschwärzt: „Du hattest recht.“

Emil, wie er sich mittlerweile nannte, vertrat seine Ansichten noch lauter und vehementer. „Das Raumschiff Erde“ sollte vereinigt werden, so lautete seine Forderung. Er formulierte ein „Moral-ABC“, eine Anleitung für ein friedliches Miteinander aller Religionen und Erdenbewohner: „Uniting Spaceship Earth.“

Das kam jedoch nicht überall gut an und so wurde Bronner immer wieder als Ruhestörer verhaftet und sogar in eine staatliche psychiatrische Klinik eingewiesen. Die dortige Behandlungen mit Elektroschocks machte er später für seine nachlassende Sehkraft und Erblindung verantwortlich. Er konnte jedoch erfolgreich aus der Klinik fliehen.
Zwischenzeitlich gab er sich selbst einen Doktortitel – angesichts seiner eindringlichen Persönlichkeit, seiner wissenschaftlichen Kenntnisse und seines starken deutschen Akzents zweifelte niemand diesen Schritt an.

1948 gründete er dann die bis heute bestehende Keimzelle der Firma, die All-One-God-Faith Inc. in Los Angeles. Die Seife war jedoch nur ein Nebenprodukt, sie wurde bei seinen Friedenspredigten an die Zuhörenden verkauft oder als Giveaway verschenkt. Als er bemerkte, dass viele die Seife einfach einpacken und gehen ohne ihm zuzuhören, entschloß er sich, das was er zu sagen hatte, auf die Etiketten zu drucken, damit die Botschaft auch wirklich ankommt: „We are All-one or none!“

In den Sechzigern fiel Bronners Botschaft bei den Hippies auf fruchtbaren Boden. Dr. Bronner’s Seife wurde zum Kult ihrer Zeit. Die Jugend begeisterte sich für den Ruf nach Frieden, der auf den Etiketten der Marke zu lesen ist. Die Seife wurde dank Mund-zu-Mund-Propaganda zum Erfolgsprodukt und Dr. Bronner zum Star ihrer Generation.

Bronner erblindete in den Sechziger, erkrankte später an Parkinson. Die Söhne übernahmen in den Neunzigern das Unternehmen.

Das Familienunternehmen wächst weiterhin gewaltig, 2020 trotz Corona um 43 Prozent. Neben Seife gibt es etwa Körperlotion, Lippenbalsam und Zahnpasta in unterschiedlichen Größen und diversen Duftnoten – und auf allen Produkten findet sich stets der Aufruf zur Einheit aller Menschen: „All-one!“

Eines der wesentlichen Marketing-Instrumente sind die kostenlosen Schaumparties, die „Dr. Bronner’s Magic Foam Experience“ an Schulen, bei Hindernisläufen, Paraden und anderen Events anbieten. Doch wie kam es zu dieser Idee?

Bronners Sohn Jim dachte in den 80ern ein paar Schritte weiter und gründete die „Bronner Chemical & Technical Consulting“. Er entwickelte ein Schaumkonzentrat, „“SnoFoam“, das als Feuerlöschschaum noch heute bei der Bekämpfung von Bränden verwendet wird. Leicht modifiziert kam es dann als Kunstschnee in Hollywood-Produktionen zum Einsatz. Der Kunstschnee kam so gut an, dass er zusätzlich eine Schaumkanone für den Hausgebrauch erfand, um im schneearmen Kalifornien Winterstimmung zu schaffen.

Die Magic Foam Experience wurde zu Ehren des verstorbenen Jim Bronner ins Leben gerufen – und kam auch schon in Deutschland zum Einsatz.

Das Unternehmen ist nach wie vor in Familienhand und hat den Umsatz in den letzten 20 Jahren um mehr als das Vierzigfache erhöhen können. 300 Mitarbeitende helfen mit, einem Ziel treu zu bleiben: Impact statt Profit.

Die Familie nennt das „konstruktivem Kapitalismus“. Die moralischen Ideale von Emil Bronner werden konkret im Geschäftsalltag umgesetzt, z.B. die „5-to-1-rule“: Selbst die Geschäftsführer erhalten nur ein Gehalt, das maximal fünfmal so hoch ist wie das eines Angestellten mit dem niedrigsten Vollzeit-Gehalt. Sämtliche nicht für das Geschäft benötigten Gewinne werden für progressive Projekte und wohltätige Zwecke gespendet.

Bereits 2003 wurde Dr. Bronner’s zum größten, gemäß dem USDA National Organic Program, zertifizierten Unternehmen für Naturkosmetikprodukte. Das Unternehmen verwendet als erster Hersteller zu 100 % recycelte Kunststoffflaschen, doch man versucht zwischenzeitlich, so schnell wie möglich von den recycelten Plastikflaschen für die Flüssigseifen loszukommen und diese durch vollständig biologisch abbaubares oder kompostierbares Material zu ersetzen.

Alle Produkte sind sowohl NaTrue- und BDIH-zertifiziert, auf chemische Bestandteile aus Erdöl und Erdgas wird in der Produktion komplett verzichtet. Ihre Tochterunternehmen in Ghana und Sri Lanka, wo Kokosöl und nachhaltiges Palmöl hergestellt wird, arbeiten vor allen Dingen mit Familienbetrieben und in nachhaltigen Mischkulturen.

In Berlin gibt es übrigens einen schönen Flagshipstore von Dr. Bronners am Weinbergsweg in Mitte.

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