Digitales Biedermeier

Die Zukunft ist nicht aufzuhalten – und doch kommt alles ganz anders. Trotz Facebook treffen wir uns noch mit unseren Freunden „live“, trotz Internet-Shopping gehen wir noch in Geschäfte und suchen das Einkaufserlebnis, trotz E-Book-Reader wird das geschriebene Wort nicht aussterben. Kindle-Besitzer, so Amazon-Deutschland-Chef Kleber, kaufen dreimal so viele Bücher wie vorher (nur lesen sie sie auch? Man weiß es nicht…). Der digitale Wandel erfolgt, wie Markus Brauck kürzlich im Spiegel schrieb, nicht exklusiv, sondern additiv.

Denn gerade wenn es mit großen Schritten in neue Zeiten geht, wendet der Mensch den Blick gerne zurück und sehnt sich nach dem Guten, dem Alten, dem Wahren. So verwundert es nicht, dass Amazon trotz aller MP3-Download-Möglichkeiten noch ca. 1,2 Mio. Vinyl-Schallplatten im Angebot hat und auch der anhaltende Geschäftserfolg von „Manufactum“ belegt diese Suche nach Halt in den Werten der Vergangenheit.

Das führt zu interessanten Mischformen und neuen Geschäftsmodellen: Einkaufen ist unpersönlich geworden, wenn man nur noch vor seinem Tablet sitzt? „Emmas Enkel“ schaffen Abhilfe:

 

Vorwärts in die Vergangenheit statt zurück in die Zukunft! Der Nutzen ist klar: Zeitgewinn und Bequemlichkeit, doch die Verpackung, das Design des Geschäftes, transportiert die eigentlichen Werte. In der Selbstdarstellung der Enkel kommt die Gemütlichkeit nicht so rüber:

 

Willkommen im Biedermeier 2.0. Ab ins Idyll und ins Private, die Lounge als Rückzugsort ins heimelige Glück. Nur der doofe Hipster müht sich noch damit ab, sich ständig als Selbstdarsteller zu repräsentieren, der Rest bevorzugt die Geselligkeit im kleinen Rahmen. Die digitale Welt macht’s möglich. Wohnzimmer statt Globalisierung. Unentschlossenheit heißt, sich zwischen den Stühlen einzurichten. Lauwarm ist das neue Lebensmotto. Wie dichtete Ludwig Pfau schon 1847:

Schau, dort spaziert Herr Biedermeier
und seine Frau, den Sohn am Arm;
sein Tritt ist sachte wie auf Eier,
sein Wahlspruch: Weder kalt noch warm.

(Quelle: Wikipedia)

Was heißt das nun für’s Marketing? Mehr Retro in der Gestaltung, quasi neuen Wein in alten Schläuchen. Die Sehnsucht nach der Vergangenheit nicht zu ignorieren und sich nicht zu modern zu inszenieren.

Manche Dinge gehen trotzdem unwiderruflich verloren. Der Katalog zum Beispiel. Da muss man dann einfach nur neue Verwendungsmöglichkeiten finden….

 

Eine Antwort zu „Digitales Biedermeier”.

  1. Schöner Beitrag. Ich denke auch, dass die Kombination aus Tradition und Moderne heute für viele Menschen sehr ansprechend ist. In einer Zeit wo alles so schnelllebig geworden ist brauchen die Menschen wieder etwas mit Werten und Nachhaltigkeit. Der Manufaktur-Gedanke.

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