rethinking marketing: Das Ende der Obsoleszenz?

Wie oft kaufen wir uns eigentlich ein neues Handy oder einen neuen Fernseher? Und warum gehen manche Dinge eigentlich schon nach so kurzer Zeit kaputt? Und was passiert eigentlich mit dem ganzen alten Schrott, den wir anhäufen? Oder anders gefragt: Kaufen wir nur noch für die Müllhalde?

Obsoleszenz bedeutet, Dinge so herzustellen, dass sie schnell „obsolet“, also „hinfällig, nicht mehr gebräuchlich“ werden. Zum Beispiel durch die geplante Obsoleszenz, bei der schon in der Produktion „Sollbruchstellen“ eingeplant werden: Oberflächen, die sich schnell abnutzen oder deutlich schneller kaputt gehen (iPhone-Displays), eine hohe Reparaturanfälligkeit, Akkus die nicht ausgewechselt werden können (iPod), Chips wie in manchen Druckern, die dazu führen, dass bei einer bestimmten Blattzahl der Drucker nicht mehr funktioniert (Epson) usw.

Oder die wahrgenommene Obsoleszenz, bei der uns glauben gemacht wird, dass wir immer das neueste Produkt benötigen, um „in“, „hip“ und „trendy“ zu sein – auch, wenn das Vorgänger-Modell eigentlich noch funktionsfähig ist und nicht ersetzt werden müsste.

Spätestens hier stellt sich dann auch die Frage, inwiefern Design und auch die Marketingkommunikation mit Schuld daran tragen, dass wir  mehr kaufen als wir zur Bedarfsdeckung benötigen und unglaubliche Müllberge verursachen – natürlich nicht bei uns, sondern indem wir dritte Länder als Müllkippen benutzen.

Wir kaufen für die Müllhalde – und konsumieren, als ob es nach wie vor unbegrenzte Ressourcen gäbe und Wachstum unendlich wäre, obwohl wir langsam zu ahnen beginnen, dass in einer endliche Welt eben auch hier einmal das Ende der Fahnenstange erreicht sein wird.

Das war nicht immer so: Unsere Großeltern haben noch Dinge gekauft, die möglichst lange, ein Leben lang halten, sollten – Möbel zum Beispiel. Es war dann Herr Kamprad, der auf die Idee kam, dass Möbel nicht mehr zeitlos schön sein müssen, sondern auch hier Moden und Trends dazu genutzt werden können, immer wieder neue Möbel zu kaufen und diese gegen die alten auszutauschen: IKEA was born.

„Früher“ gab es nur 2 Kollektionen im Jahr: die Sommer- und die Wintermode. H&M und Zara beliefern heutzutage ihre Läden fast 2x in der Woche mit neuen Modellen.

Das sind nur zwei Beispiele dafür, wie Trends und Moden Einzug in unser Leben gehalten haben, um uns immer wieder dazu zu „überreden“, zu kaufen und zu kaufen und zu kaufen. Doch zu welchem Preis? Glücklicher macht der Konsumrausch jedenfalls nicht.

Dinge, die halten, bringen eben einen (für die Hersteller) unangenehmen Nebeneffekt mit sich: Der Kunde kauft nicht nach. Daher dürfen z.B. Glühbirnen nicht ewig halten, sondern müssen irgendwann erlöschen. Obwohl sie theoretisch 100 Jahre und länger halten könnten, wie diese Glühbirne in Livermoore beweist, die seit über 110 Jahren brennt:

Wir merken es oft gar nicht mehr, wenn wir als Konsumenten nur noch als Kaufvieh missachtet werden: So hat Apple nach wie vor eine unglaublich große Fan-Gemeinde, obwohl sie das Prinzip der Obsoleszenz in vielen ihrer Produkte ausleben – oder kann der Akku eines iPod oder iPhones leicht gewechselt werden?

Ohne Frage: Wir brauchen technologischen Fortschritt, Innovationen, Wechsel und Abwechslung – aber wir brauchen keinen konstruierten Verschleiß. Das wachsende Bewusstsein für Nachhaltigkeit bei den Konsumenten führt dazu, dass sich die Hersteller immer häufiger rechtfertigen müssen, warum sie uns immer neue Modelle in immer kürzeren Zeiträumen vor die Nase setzen: Das iPad 3 erscheint kaum ein Jahr nach dem iPad2…

Gerade die wahrgenommene Obsoleszenz würde nicht funktionieren, wenn es nicht das Marketing als Erfüllungsgehilfen hätte gewinnen können. Denn es sind die bunten Werbewelten, die uns suggerieren, immer das Neueste besitzen zu müssen. Und uns dabei immer dreister in unserer Leichtgläubigkeit vorführen – ob es die Cementide gegen brüchiges Haar sind, „Liquid Light“ und andere Geheimformeln für strahlenden Glanz oder „Lätta luftig“  – wenn die Werbung stimmt, kann man den Konsumenten den grössten Blödsinn verkaufen. Nur: Ist das noch zeitgemäß? Können Marketeers das noch mit sich vereinbaren (oder gilt der Spruch: „Einer muss es ja machen, und wenn ich es nicht tue, dann geht der Auftrag eben an eine andere Agentur…“) – oder ist Zynismus nicht eher ebenfalls ein Auslauf-Modell?

rethinking marketing heißt für mich daher auch, die Frage zu stellen, ob Marketing 2020 nicht andere Aspekte wie Qualität, Dauer, Haltbarkeit, Wiederverwendbar- und -verwertbarkeit, Reparaturfähigkeit, zeitlose Schönheit kommunizieren muss… Und ob Marketing 2020 nicht heißen wird: mehr Manufactum, weniger H&M.

Das Ende der Wachstumsgläubigkeit wird das Ende der Obsoleszenz mit sich bringen –  und das Marketing wird sich zwangsläufig verändern müssen.

Mehr zu der Geschichte der Obsoleszenz und deren Auswirkungen erfahrt ihr in dieser wunderbaren arte-Dokumentation von der Filmemacherin Cosima Dannoritzer:

– to be continued –

4 Antworten zu „rethinking marketing: Das Ende der Obsoleszenz?”.

  1. […] Produkte kaufen werden, in denen der Verfall vorprogrammiert ist – die sogenannte “geplante Obsoleszenz“. Der Erfolg eines Blogs wie “Murks? Nein danke!“, der solche Produkte aufzeigt, […]

  2. Ein zutreffender Artikel, danke dafür. Es wird deutlich, dass Handlungen notwendig sind, damit ein Wandel möglich. Ein Wandel zu mehr nachhaltiger Produktentwicklung und -qualität. Mehr zu einer entsprechenden Kampagne erfährst Du hier http://www.murks-nein-danke.de.

  3. […] Die guten Katholiken wissen, dass Maßlosigkeit schon immer eine der sieben Todsünden gewesen ist – nicht nur im privaten, sondern auch im wirtschaftlichen Leben. Das Umdenken zu einer Kultur des Maßhaltens führt zwangsläufig zum Ende der Obsoleszenz. […]

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